letzte Aktualisierung: 15/09/99, 20:20

10. Deutsche Schnellschach-Einzelmeisterschaft 1999

11./12. September 1999, Lindner Congress Hotel Frankfurt-Höchst

Rabiega nach Stechen Deutscher Schnellschach-Meister
Die Großmeister Kindermann und Gutman knapp geschlagen

Von Hartmut Metz

Zum Endstand

Erst in der Verlängerung ist der Titel des Deutschen Schnellschach-Meisters vergeben worden. Der Internationale Meister Robert Rabiega (König Tegel) besaß dabei bessere Nerven als die zwei Großmeister Stefan Kindermann und Lev Gutman und qualifizierte sich für das Masters der Frankfurt Chess Classic 2000. Diesen attraktiven Preis hatte der ausrichtende Verein SC Frankfurt-West, der unter anderem mit den nationalen Titelkämpfen sein 75-jähriges Jubiläum beging,  zusätzlich zum ersten Preisgeld von 1.000 Mark ausgesetzt. Im Stichkampf schlug der Berliner Rabiega zunächst Kindermann, dann bezwang der Neu-Plauener Gutman. Bereitete dem ersten Deutschen Schnellschach-Meister, der von 1990 bis 1992 alle Titel gewann, die Zeitüberschreitung schon Verdruss, kam es gegen Rabiega noch schlimmer: Anstatt mit einem Erfolg für den erneuten Gleichstand zu sorgen, ließ Gutman im falschen Moment die Dame los. Verständlicherweise beharrte Robert Rabiega darauf, dass der Großmeister von TuRA Melle seine Dame einstellte und ihn damit zum Meister machte.

In dem spannenden Wettbewerb wirkte Kindermann bereits wie der sichere Sieger. Mit einem halben Punkt Vorsprung ging er in die Schlussrunde. Doch überraschend versalzte ihm der Andernacher Patrick Burkart die Suppe. Durch das Remis rückten Gutman und Rabiega, die sich dank ihrer Siege ebenfalls auf 8,5/11 steigerten, heran. Die beste Buchholz rettete Kindermann nicht, sieht das Reglement doch bei Punkt-Gleichstand Stichkämpfe vor. Weit zurück hinter dem Führungstrio landete der Rest des Feldes. Mit sieben Punkten folgten Alexander Naumann (SG 1868 Aljechin Solingen), Bernd Kohlweyer (ASV Zeppelin Neu-Herne) und Nils Michaelsen (Hamburger SK). Favorit Eric Lobron (SG 1868 Aljechin Solingen) enttäuschte nach seinem optimalen Start mit 3/3 und wurde nur Siebter.  

Vor den Deutschen Schnellschach-Meisterschaften hatte Hans-Walter Schmitt eine neue Initiative eingeleitet. Während andere am 9.9.99 heirateten, gründete der 47-Jährige mit neun Personen am 9.9.99 um 9.99 Uhr (sprich 10.39 Uhr nach realer Zeit) den Förderverein "Frankfurt Chess Tigers". Eine kleine Reminiszenz an das legendäre Büchlein "Schach für Tiger", eine große an den "Tiger von Madras", Viswanathan Anand. Der 75 Jahre alte Klub SC Frankfurt-West, 1989 hervorgegangen aus dem Zusammenschluss des SK 1924 Unterliederbach und dem SC 1925 Sindlingen, will sein Ehrenmitglied nicht nur auf dem Weg zum WM-Titel unterstützen, sondern bis 2011 einen deutschen Weltmeister produzieren. "Identifizierung ist wichtig. Wir brauchen im Schach einen Boris Becker. Schach ist etwas Edles, und wir müssen das rüberbringen", verkündete Präsident Schmitt auf der Jubiläumsfeier seines Klubs. Ziel sei es dabei nicht, den anderen Vereinen Nachwuchsspieler abspenstig zu machen, sondern ihnen zu helfen, die "Supertalente mit Trainern wie Artur Jussupow und Mark Dworetzki im Wettbewerb mit bestehenden Einrichtungen in Baden-Baden und Dresden" zu fördern. Streng marktwirtschaftlich orientiert will der Siemens-Vertriebsmanager das Basistraining für die künftige Elite ausschreiben. "Das beste Konzept erhält dann den Zuschlag."

In seinen Reden fand Schmitt die gewohnt markigen Worte. Der Organisator der Frankfurt Chess Classic lässt aber auch stets Taten folgen. "Wenn der etwas in die Hand nimmt, dann wird es gut", anerkannte ein Zuschauer während der Deutschen Meisterschaften im noblen Ambiente. Doch gut ist Schmitt nicht gut genug. Nachdem ihm Hessens Schach-Präsident Erich Böhme die Goldene Verbandsehrennadel verliehen hatte, bedankte sich der Geehrte nicht nur artig, sondern schob gleich fordernd nach: "Sie dürfen Ihren Verbandskollegen bestellen, dass wir Ihre Unterstützung in großer Höhe gerne entgegennehmen!" Von der Stadt Frankfurt begehrte er ein Heim für die "Schach-Tiger". Nach Überreichung des Ehrentellers des Deutschen Schachbundes für seine Verdienste durch Sportdirektor Reinhold Kasper kokettierte Schmitt hingegen bescheiden: "Ich habe all das nicht geschafft, sondern die Sponsoren und unser Team im Verein." Elf von ihnen erfuhren Ehrungen des prosperierenden Klubs und zollten Schmitt dann besonders viel Applaus, als er wegen der Dispute mit dem Weltranglistenersten während der Frankfurt Chess Classic sowie dem geplatzten WM-Kampf mit Ehrenmitglied Anand nachschob, "Schach ist eine Teamsache - und da muss auch ein Garri Kasparow noch einiges lernen!" Besondere Beifallsbekundung sowie ein "Bravo!" waren hierbei von Eric Lobron zu hören. Der Großmeister hatte schon vor rund zwei Monaten in Dortmund Ex-Weltmeister Anatoli Karpow heftig wegen seines Verhaltens attackiert. Für Lobron scheint auch der Erzrivale ein rotes Tuch zu sein.

Anand hatte sich sieben Wochen lang in der Nähe von Frankfurt auf das Match mit Kasparow vorbereitet. Nachdem sich aber kein Geldgeber für die geplanten drei Millionen Dollar Preisfonds fand, kehrte er enttäuscht in seine Wahl-Heimat Spanien zurück. Insofern bedauerlich, weil man gerne gesehen hätte, wie der Weltranglistenzweite beim Höhepunkt des Jubiläumsabends abschneidet. "Schach-Toto" dachte sich Schmitt dafür aus und ließ sich beim Preis nicht lumpen: Einen Trainingstag mit Viswanathan Anand gab es zu gewinnen. "Den Tag möchte ich aber haben!", bekannte Lobron. Doch er musste zusammen mit Stefan Kindermann die Beratungspartie gegen die zweite Kombination, Artur Jussupow/Lev Gutman, bestreiten. Sechs Gruppen versuchten die Züge der Großmeister zu prognostizieren. Jede korrekte Vorhersage brachte einen Punkt. Das Quartett sorgte für eine famose Königsgambit-Partie, die die Tipper in Atem hielt (siehe nachstehenden Versuch, dies in Analysen und Worten festzuhalten). Mit 30 von 54 Punkten lagen am Schluss zwei Gruppen gleich auf und freuten sich auf das Training mit Anand. Ob dieser auch auf 30 Punkte gekommen wäre? Vielleicht hätte er sich aus Überlegenheitsgründen (im Gegensatz zum Publikum) 25-mal anders entschieden als die vier Protagonisten. Jedenfalls sollte die alte Tradition von Beratungspartien in Verbindung mit dem Spannung heischenden Schach-Toto wieder aufleben.           

Endstand
Rangliste:  Stand nach der 11. Runde
Rang  Teilnehmer        Titel   TWZ Att Verein/Ort             S  R  V  Punkte  Buchh  MiBuch
 1.   Kindermann, Stefan   GM  2527     SK König Plauen        7  3  1     8.5   63.0    48.5
 2.   Gutman, Lev          GM  2471     TuRa Melle             7  3  1     8.5   62.5    48.5
 3.   Rabiega, Robert      IM  2476     SK König Tegel         7  3  1     8.5   62.5    48.0
 4.   Naumann, Alexander       2478     SG 1868 Aljechin Sol.  6  2  3     7.0   63.0    49.0
 5.   Kohlweyer, Bernd     IM  2463     ASV Zeppelin Neu-Herne 6  2  3     7.0   62.5    48.5
 6.   Michaelsen, Nils     IM  2439     Hamburger SK           6  2  3     7.0   61.5    48.0
 7.   Lobron, Eric         GM  2540     SG 1868 Aljechin Sol.  6  1  4     6.5   64.0    49.5
 8.   Burkart, Patrick     FM  2381     SV Andernach           6  1  4     6.5   53.0    41.0
 9.   Eilers, Stefan       FM  2304     SV Hofheim             5  2  4     6.0   62.0    47.5
 10.  Reschke, Stefan      IM  2341     SV Oberursel           4  4  3     6.0   61.0    47.0
 11.  Duppel, Matthias         2358     VfL Sindelfingen       4  4  3     6.0   54.0    41.0
 12.  Kuraszkiewicz, Mi    FM  2337     SK König Plauen        5  2  4     6.0   53.0    41.5
 13.  Rechel, Bernd        FM  2404     SV Hofheim             5  2  4     6.0   51.0    40.0
 14.  Meins, Gerlef        IM  2421     SV Werder Bremen       4  4  3     6.0   51.0    38.0
 15.  Zeller, Frank            2452     VfL Sindelfingen       4  4  3     6.0   50.0    39.5
 16.  Reich, Thomas        IM  2394     FC Bayern München      4  3  4     5.5   57.5    44.5
 17.  Lüders, Gerhard          2290     BSC Rehberge           5  1  5     5.5   48.5    37.5
 18.  Hammes, Michael      FM  2360     SV Koblenz             4  3  4     5.5   48.5    37.0
 19.  Brustkern, Jürgen        2286     SK König Tegel         3  5  3     5.5   46.5    35.0
 20.  Becking, Stephan         2240     SVG Saarbrücken        4  2  5     5.0   60.5    46.0
 21.  Gerstner, Wolfgan    FM  2400     Karlsruher SF          3  3  5     4.5   57.5    43.5
 22.  Bünermann, Volker    FM  2306     Weiße Dame Borbeck     3  3  5     4.5   55.5    42.5
 23.  Sandner, Gunter      FM  2374     SK König Plauen        3  3  5     4.5   46.5    36.0
 24.  Hecht, Hans Joachim  GM  2413     TuS Fürstenfeldbruck   3  3  5     4.5   45.5    35.0
 25.  Wagner, Ralf             2108     SF Schwerin            3  3  5     4.5   44.0    34.5
 26.  Schulz, Karsten      FM  2261     VBSF Cottbus           4  1  6     4.5   44.0    34.0
 27.  Wittje, Berthold         2221     SK Union Oldenburg     2  4  5     4.0   42.5    33.0
 28.  Niebling,Ferdinand       2208     SC Frankfurt-West      3  1  7     3.5   46.5    36.5
 29.  Fuchs, Heinz         IM  2329     SC Untergrombach       2  3  6     3.5   43.0    31.0
 30.  Mehlhorn, Uwe            2180     SV Gera-Liebschwitz    2  3  6     3.5   42.5    32.5
 31.  Nelki, Hans-Joachim      2100     FTS Eider Büdelsdorf   1  4  6     3.0   45.0    34.5
 32.  Huster, Markus           2210     SC Wiedenbrück         1  4  6     3.0   40.5    31.0

Stichkämpfe:
Kindermann - Rabiega       0:1
Gutman     - Kindermann    0:1
Rabiega    - Gutman        1:0

Endplazierung Rang 1-3 (lt. DSB-TO):
1. Rabiega
2. Kindermann
3. Gutman